Wie ihr (nicht) wollt...

GdI. Wieso GdI? Ach so. Montag. Acht Uhr. Er steht da vorne und schwafelt was von Grammatiken und Alphabeten. Ein Außenstehender könnte das für Deutschunterricht halten. Aber die Worte die er da auf der Folie zusammenbastelt, würden nicht mal nach weiteren drei Reformen einen sinnvollen Satz ergeben. Putzig. Tauschen wir hier mal die C's durch A's aus. Ababcebabab. Aha. Klingt wie ein arabisches Schimpfwort. Oder wie der Name des niedlichen marokkanischen Pizzaboten um die Ecke. Habe mir letzte Woche dort eine Pizza bestellt, eigentlich mehr wegen ihm als wegen meinem Hunger. Wobei mir letzterer ausgeblieben ist, als er meinte, er müsse wieder zum Auto, seine Tochter würde warten. Schade. Lex und Jack gehören da auch dazu. Gut zu wissen. Westernhelden im Compilerbau. Höchstspannend. Die beiden Studenten in der Reihe vor mir spielen Karten, die Schülerin neben mir schläft friedlich auf ihrer Mappe. Hinter mir hat jemand entdeckt, daß sein Taschenrechner ein Tetrisspiel beinhaltet. Wenn nur die Tasten nicht so klappern würden. Oder seine Fingernägel. Die letzten beiden Bankreihen schlafen komplett, bis auf den einen Streber der alles Wort für Wort mitschreibt, und es den anderen danach kopiert. Selber schuld. Naja, ich könnte auch mitschreiben, aber ich hole mir lieber später das Skript vom Server. Ist einfacher und vor allem lesbarer. Wir haben noch keine Pause verdient, meint er. Egal. Während Er gegen den Videoprojektor kämpft, hat sich eh schon die halbe Klasse ins Rauchereck verdrückt. Verständlich, wenn die Sucht ruft. Er hat seinen Spitznamen "Valium" redlich verdient. Während ich meine Gedankenströme in meinen Füller umleite, labert er da vorne von tschechischen Informatikern mit unsäglichen Namen und noch unsäglicheren Theorien. Hmmm. Seit wir die elektronische Raumsteuerung haben, scheint es nicht mehr möglich, gleichzeitig die Fenster und die Rolläden geschlossen zu haben. Zumindest erweckt Er den Eindruck. Aber das ist nicht mein Problem. Ich habe ihm dreimal gezeigt, wie das verdammte Ding zu bedienen ist. Aha. Die nächste Herausforderung: Wie steckt man einen Laptop an den Videoprojektor an? Es gibt drei Anschlüsse, und nur einer davon hat die passende Form. Sollte also in unter fünf Minuten zu lösen sein. Für einen Informatiker. Er schafft es auch. In vier Minuten. Rekord. Sein Assemblerprogramm ist ja ganz nett, aber ein paar hundert Zeilen Quelltext vorzulesen, befördert gerade eine weitere Bankreihe in das Reich der Träume. Mein Füller scheint auch immer schwerer zu werden, obwohl die Tinte immer weniger wird. Zwischen zwei Kartenblatt bietet sich mir die Gelegenheit, den vor mir spielenden Kommilitonen um eine Patrone zu bitten. Naja, andere Marke, passt also nicht rein. Aber mit ein bisschen Geschick kann man die blaue Soße in die leere Patrone umfüllen. Natürlich nicht ohne die Finger und die Bank einzufärben. Egal, wofür gibt's Taschentücher. Wobei mir gerade auffällt daß die Tabletten meinen Grippeanflug anscheinend erfolgreich bekämpft haben. Mein Hals fühlt sich schon nicht mehr an wie ein Reibeisen, sondern nur noch wie Sandpapier. 360er oder so. Also erträglich. Mal schauen was Er da vorne grade macht. Gimlbasq. Aha. Turing. Nicht unbedingt interessant, nicht wirklich schwer, aber immerhin Stoff genug für mehrere Vorlesungen. Vor mir wird gerade heiße Ware gehandelt. Matheskripte. Naja, wer die Wahl hat, das Skript im sechsten Stock vom Server zu holen, oder es sich auf dem Schwarzmarkt kopieren zu lassen, weiß wie er sich entscheidet. Vor allem seit der Aufzug kaputt ist. Naja, ich weiß wie man das Skript im Labor nebenan auf dem Server finden und auf Diskette kopieren kann. Werd ich danach holen. Schön. Er hat ein Game of Life programmiert. Spannend, aber einschläfernd, zumindest nachdem er der Meinung ist, etwas völlig revolutionäres geschaffen zu haben. Aber in drei Minuten ist eh Schluss. Gut so, mein Papier geht auch zur Neige. Mathe werd ich wohl schwänzen, meine Kopfschmerzen kommen eh gerade wieder. Außerdem erwarte ich Besuch und sollte mal wieder meine Wohnung aufräumen. Und mal wieder einen Hinweis auf sein Buch. Ich hab's schon gekauft. Hab sogar bei der Bestellung meine Matrikelnummer angegeben, vielleicht bringt's nen Pluspunkt. Aber ich glaube nicht. Endlich. Die Uhr kündigt das Stundenende an, und wie vom Blitz getroffen springen auch die Schläfer in der letzten Reihe auf. Ich muß packen, die anderen in der Bank wollen an mir vorbei. Naja, geh ich halt. Stop. Jacke nicht vergessen. Was meint der neben mir? Mathe wird ihm langsam zu schwer? Mir nicht. Und in meinem Zustand kann ich eh ned gut lernen. Der süße Junge aus meiner Klasse, in den ich so verknallt bin, hat schon wieder zwanzig Meter Vorsprung. Aber nachlaufen kann ich ihm auch nicht, das würde komisch aussehen. Egal, nächstes Mal dann eben. Endlich daheim. Jede Menge Werbung im Briefkasten, das meiste davon für meinen Mitbewohner. Irgendwann werde ich meinen Mülleimer mit einem Namensschild versehen und daneben stellen. Ist effizienter. Auf dem Anrufbeantworter wieder nur Pfeiftöne. Wenn die Leute doch nur fähig wären, zwischen Telefon- und Faxnummer zu unterscheiden. Davon ausgehend daß die Nummern in zwei verschiedenen Büchern stehen, sollte das eigentlich zu schaffen sein. Naja, kann man ja löschen. Werde mal den Rechner einschalten und anfangen, diesen Text abzutippen. Meinem Nachbarn gefällt meine Musik nicht. Mirdochegal. Mir gefällt sein Kochgestank nicht, und das sag ich ihm auch. Er zieht ab. Gut so. Naja, wenn ich hier fertig bin, werd ich mich ins Bett legen und meine Kopfschmerzen ausschlafen. Mit jemandem zum Kuscheln wär's zwar schöner, aber das hat ja noch Zeit. Und vielleicht bin ich ja nächstes Mal vor ihm an der Tür und kann ihn abfangen. Wäre ja ne Möglichkeit.

Bis dahin, Gute Nacht.

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